Flugplatz Gatow – eine bewegte Geschichte

Die zahlreichen Veränderungen ergeben Anlass, an die lange Geschichte des Flugplatzes Gatow zu erinnern. Von jeher eng verbunden mit der Geschichte des Flugplatzes Gatow ist die Entwicklung der südlichen Spandauer Ortsteile Kladow und Gatow. Nach der Eröffnung des Flugplatzes am 1. November 1935 setzte hier eine rasante Bevölkerungs-zunahme ein. 1939 wohnten in Kladow 4725 Einwohner – mehr als dreimal so viel wie noch vier Jahre zuvor. Ursache: Mit den Anlagen des Flugplatzes entstanden auch neue Wohnquartiere für die Beschäftigten: die „Arbeitersiedlung“ am Schwabinger Weg, die „Schweizerhaussiedlung“ an der Gredinger Straße und die „Fliegerhorst-Siedlung“ nördlich des Flugplatzes.

Die Mitarbeiter arbeiteten in drei Kasernen-Komplexen. Auf dem eigentlichen Flugplatzgelände am Kladower Damm 182-288 entstand 1935/36 die Kriegsschule der Luftwaffe. Auf der gegenüberliegenden Straßenseite wurde die Lufttechnische Akademie errichtet, in deren Gebäude 1946 das Krankenhaus Havelhöhe einzog. Im Kladower Süden entstand an der Sakrower Landstraße 90 die Luftwaffen-Kaserne Hottengrund, die nach dem Weggang der Briten 1994 unter dem Namen Blücher-Kaserne vom Jägerbataillon 581 genutzt wurde. Insgesamt betrugen die Baukosten der militärischen Anlagen 147 Millionen Reichsmark.

Bis 1945 erhielten zahlreiche Piloten der Luftwaffe in Gatow ihre Ausbildung. Mit dem Anmarsch der sowjetischen Armee endete der erste Abschnitt der Flugplatz-Nutzung. Kurz bevor ihre Truppen am 26. April 1945 den Flughafen besetzten, hob noch eine deutsche Maschine ab. Am Steuerknüppel der zweimotorigen „Siebel 104″ saß die Luftwaffen-Testpilotin und spätere Erotikkönigin Beate Uhse. Nur kurz beherrschten die Sowjets den Flugplatz. Schon am 2. Juli 1945 bezog die britische Royal Air Force das Gatower Flugplatzgelände. Die Sowjets übernahmen den Flugplatz in Staaken. 1945 wurde im Zusammenhang mit der Aufteilung Berlins in Sektoren ein Gebietsaustausch beschlossen: Der geographisch westliche Teil Staakens mit dem Flugplatz wurde den Sowjets zugeschlagen. Die Briten erhielten dafür zu Brandenburg gehörende Gebiete Groß Glienickes. Erst am 3. Oktober 1990 kam West-Staaken wieder zu Spandau. Groß Glienicke blieb jedoch aufgrund einer Entscheidung des Karlsruher Bundesverfassungsgerichts bei Berlin.

Im Juni 1948 rückte der Flugplatz ins Visier der Weltöffentlichkeit. Nachdem die Sowjets in der Nacht zum 24. Juni 1948 alle Versorgungswege nach Berlin abgeriegelt hatten, wurde der Flugplatz Gatow zu einem der Hauptpfeiler der Luftbrücke. Bis zum 12. Mai 1949 brachten die Briten 500 000 Tonnen lebenswichtiger Güter in 87 841 Einsätzen über Gatow nach Berlin. Nach dem Ende der Blockade und dem Umzug der britischen Fluggesellschaft BEA nach Tempelhof kehrte Ruhe in Gatow ein. Unterbrochen wurde sie nur von Flugzeugen, die im Auftrag der RAF britische Militärangehörige zwischen Berlin und dem Mutterland beförderten. Große Beachtung fanden stets die Maschinen der „Queen’s Flight“, die bei Berlin-Besuchen von Mitgliedern des Königshauses stets in Gatow landeten.

Trotz des spärlichen Flugverkehrs wurden die technischen Anlagen des Flugplatzes immer auf dem neuesten Stand gehalten. So blieb das streng bewachte Flugplatzareal für jeden Ernstfall einsatzbereit. Beschwerden der Anwohner hagelte es dann 1984, als die Briten auf dem Nordteil des Flugplatzes den größten und modernsten Schießplatz Europas eröffneten. Im selben Jahr vertieften die Briten jedoch auch ihre freundschaftlichen Kontakte zu den Spandauern. 1984 nahm die RAF am ersten deutsch-britischen Freundschaftstag in der Havelstadt teil. Die Tore des Flugplatzes standen immer häufiger anderen Nutzern offen. Bereits seit den 70er Jahren trainierte der Porsche-Club Berlin mit seinen Fahrzeugen auf der Landebahn. Zehntausende Besucher zählten die Flugtage in Gatow. Mit ihrem letzten Flugtag am 26. Juni 1993 verabschiedeten sich die Briten von den Berlinern. Am 11. Mai 1994 nahm dann auch der letzte britische Kommandant, Michael Feenan, mit einer Parade Abschied von Gatow.

Den Flugplatz Gatow wird nun kein Pilot mehr als Flugziel nennen können. Mit der Schließung der Rollbahnen ging im Spandauer Süden eine nahezu 59jährige Ära zu Ende. Der Flugplatz wurde entwidmet, Radar und Instrumentenlandesystem abgebaut. Auch das Flugfeuer „Havel“ auf dem Kladower Fuchsberg – ein riesiges Radargerät, das jeder Berlin überfliegende Pilot zur Orientierung nutzte – stellte den Betrieb ein. Neue Radaranlagen übernahmen seine Aufgabe. Von Oktober 1994 an wurde das 154 Hektar große Gelände des Airports Kasernenstandort der 3. Luftwaffendivision und neues Domizil des lange Zeit in Appen bei Pinneberg beheimateten Luftwaffenmuseums mit rund 125 Ausstellungsstücken.

Zuvor hatte es nach der Wiedervereinigung zunächst eine Diskussion um die Zukunft des Airports gegeben. Nachdem zum Beispiel auch die Funktion als Regierungsflughafen zur Debatte stand, sollten zunächst neben der Nutzung durch die Bundeswehr werden auf dem Flugplatz, der seit Oktober 1990 zum Grundbesitz des Bundes gehört, bis zu 1200 Häuser für Bundesbedienstete gebaut werden. Die aber hatten wenig Interesse, hierin zu ziehen. Die einstigen Rollfelder sind derweil mit zahlreichen Privathäusern bebaut.

Mehrmals in seiner Geschichte hatte der Flugplatz zuvor den Besitzer gewechselt. Mitte der 30er Jahre von den Deutschen erbaut, gehörte er im Frühjahr 1945 fünf Wochen lang zum Machtbereich der Sowjet-Truppen, bevor die Briten das Areal übernahmen. Am 7. September 1994 übergab dann die Royal Air Force (RAF) das Gelände an die Bundeswehr. Die Übergabe hatte Oberstleutnant Joachim Körner, Leiter des Verbindungskommandos der 3. Luftwaffendivision zur RAF, vorbereitet. Mit der Übergabe erhielt der ehemalige Flugplatz den Namen Steinhoff-Kaserne. Damit ehrt die Bundeswehr den im Alter von 81 Jahren verstorbenen General Johannes Steinhoff, einen der erfolgreichsten Jagdflieger des Zweiten Weltkrieges. Bundesverteidigungsminister Volker Rühe weihte den neuen Bundeswehrstandort am 6. Oktober offiziell ein.

Zuvor zog am Mittag des 7. September 1994 ein Hauch von Wehmut über den Flugplatz Gatow. Nach mehr als 49jähriger Anwesenheit übergab die britische Royal Air Force das Kommando über das Militärgelände im Spandauer Süden an die deutsche Luftwaffe. Als letzte Fahne einer britischen Einheit in Berlin holte Corporal Mark Gardner die Royal Air Force-Flagge ein. Die britische Ehrenformation verließ den Platz durch das Tor am Kladower Damm. Eine Ära ging zu Ende.

„Für mich ist die heutige Zeremonie eine bittersüße Angelegenheit“, erklärte damals Group Captain Michael Feenan, letzter britischer Flugplatz-Kommandant. Mit 49 Jahren habe die Royal Air Force die längste Dienstzeit aller britischen Einheiten in Berlin verbracht. Als Erinnerung an die enge Freundschaft zu den Berlinern und insbesondere zu den Spandauern habe er Bürgermeister Sigurd Hauff (SPD) das Offiziersschwert der Air Force überreicht. „Das Schwert hat bereits einen Ehrenplatz im Rathaus der Havelstadt erhalten“, versicherte der damalige Spandauer Bürgermeister Hauff.

Als neuer Kommandant in Gatow nahm Generalmajor Jürgen Höche, Kommandeur der 3. Luftwaffendivision, den Schlüssel zum Flugplatz aus den Händen von Feenan entgegen. Das Luftwaffenmusikkorps 4 spielte die Nationalhymne, als Stabsunteroffizier Jens Ladenthin (damals 23) die Bundes-Dienstflagge hißte. Generalmajor Höche dankte der Royal Air Force für ihren „unvergleichlichen Einsatz für die Freiheit Berlins“. Die Luftbrücke in den Jahren 1948/1949, bei der der Flugplatz Gatow mit bis zu 248 Flugbewegungen täglich eine herausragende Rolle spielte, sei nur ein Beispiel dafür. Künftig werde der Flugplatz seinen Charakter in mancher Hinsicht ändern, versprach Höche. 35 Prozent des Areals sollen nicht mehr militärisch genutzt, sondern für den Wohnungsbau bereitgestellt werden. Starts und Landungen von Flugzeugen werde es zum Ärger der Pilotenvereinigung nicht mehr geben „Künftig wird der Stab der 3. Luftwaffendivision von Gatow aus die ihm unterstellten Verbände in Rheine in Nordrhein-Westfalen, Husum und Jagel in Schleswig-Holstein, Laage in Mecklenburg-Vorpommern und Ladeburg in Brandenburg kommandieren“, erklärt der neue Hausherr, Generalmajor Höche. Bundesverteidigungsminister Volker Rühe weihte den neuen Bundeswehrstandort dann am 6. Oktober offiziell ein.

Mit Generalmajor Jürgen Höche hatte der Bund nach langer Abwesenheit der Bundeswehr aus Berlin sicher eine wohl durchdachte Personalentscheidung für den Posten des ranghöchsten Offiziers der Bundeswehr in Berlin getroffen. Denn mit ihm hatte man keinen „polternden Militär“, sondern einen echten „Feingeist“ für diese wichtige, aber für die einstige „Frontstadt Berlin“ eher sensible Position gewählt. Mit ihm landete in Berlin ein trainierter Flieger am Boden. In mehr als 3000 Flugstunden raste Höche zuvor als Pilot in Starfighter und Phantom II mit Überschallgeschwindigkeit durch die Lüfte. Für seinen Umzug von Strausberg nach Berlin bevorzugte Generalmajor Jürgen Höche (damals 52) nun ganz bodenständig das Auto, um dort von der britischen Royal Air Force den Flugplatz Gatow am Kladower Damm zu übernehmen.

Als Kommandeur der 3. Luftwaffendivision, die bisher in Strausberg stationiert war, wurde Höche Chef der künftigen „Steinhoff-Kaserne“. Der Flieger bleibt nun wohl am Boden – denn vom Gatower Flugfeld wird, mit wenigen militärischen Ausnahmen, kaum mehr ein Fluggerät starten.

Auf dieser Luftaufnahme sind noch die ehemaligen Start- und Landebahnen des Flugplatzes zu sehen. Unten in der Mitte der britische Schießplatz.

                                                 © Uhde/Bonstedt-2021

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